8 Wochenbett ohne Kind

Die letzten paar Tage habe ich viel über das Wochenbett, besonders das Wochenbett ohne Kind nachgedacht.


 Wochenbett – gibt es eine Frau, die das toll findet? Blutungen, Müdigkeit, Hormonumstellungen, Schmerzen von der Geburt, ggf. Depressionen, uvm. Das Wort klingt so entspannend, aber das war es bei mir ganz und gar nicht.

 

Wochenbett ohne Kind – irgendwie so sinnlos und gemein und wohl doch wichtig für den Körper.

Wie oft habe ich mich darüber geärgert.

Ich hatte kein Kind im Arm, aber dennoch diese ganzen tollen Nebenerscheinungen. So unfair. Alles einfach nur doof. Ja klar, normal wenn man ein Kind zur Welt gebracht hat, aber ich hatte doch keins im Arm liegen, keins das nebenan im Bettchen schlief. Nein, nur diese eh schon kaum auszuhaltende Trauer und dann noch die ganzen körperlichen und hormonellen Umstellungen, die mich immer wieder auslachten und daran erinnerten, dass ich meine kleine Johanna verloren hatte… Ich hasste diese unangenehm riechende Blutung, wochenlang.

 

Ich hasste diesen Juckreiz, der mich echt fast um meinen Verstand brachte. Ich hätte manchmal meinen ganzen Körper aufkratzen können. Es fing irgendwo am Körper an und wanderte einmal komplett über ihn. Ich hab geschrien, gejuckt, geheult, gekühlt, bis meine Haut ganz rot war und mich gegen Jonas liebevolles Festhalten gewehrt, wenn er mich vom Jucken abhalten wollte. Die Hebamme sagte, dass käme von der Hormonumstellung. Manchmal dauerte es gut eine Stunde bis der Juck vorbei war. Es hat Monate gedauert bis er ganz weg war. Einmal waren wir im Auto unterwegs als dieser Juck schon wieder anfing. Mein Mann, so kreativ und einfallsreich wie er ist, fuhr zum nächsten Lebensmittelgeschäft, kaufte Tiefkühlpommes und –erbsen. Kühlen half wenigstens einigermaßen. Wie oft hab ich gedacht, ich dreh durch.

 

Das Abstillen hatte glücklicherweise mit den Tabletten gut geklappt. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es mir gegangen wäre, wenn ich hätte Milch abpumpen und abstillen müssen – ohne Kind.

 

Und dann das Gewicht. Meine normalen Klamotten passten einfach nicht mehr. Keine Hose, die zu ging oder angenehm saß. Die meiste Zeit trug ich in den ersten Wochen und Monaten nach Johannas Geburt Jogginghosen. Ich war sauer, richtig sauer darauf, dass ich trotz täglichem Kotzen, während der Schwangerschaft 7 kg zugenommen hatte. Am Vorabend von Johannas privater Trauerfeier, überlegte ich mit meinem Mann, was ich am nächsten Tag anziehen könnte – weil ich schon ahnte, dass das eine Katastrophe werden würde und wir es besser früher als später machen sollten.

Wie viele Sachen ich ausprobierte, anzog, mich im Spiegel betrachtete, heulte und alles wieder auszog.

Wie gut, dass mein Mann so geduldig ist. Ich war verzweifelt, fand mich in nichts schön. Mein Mann fand mich in allem schön – was leider nicht wirklich hilfreich war ;)

Irgendwann fing ich an Anna Fotos zu schicken und sie zu fragen was ich anziehen sollte und heulte ihr schriftlich meinen Kummer vor. Ich wollte doch auch keine Umstandssachen mehr anziehen, ich war ja doch nicht mehr schwanger, aber ich wollte hübsch aussehen… Es hat ganz schön gedauert bis wir uns auf was geeinigt hatten, womit ich mich halbwegs wohlfühlte.

 

Bei jeder Frau verläuft das Wochenbett wohl anders. Aber ohne Kind erinnert es einen nochmal zusätzlich an den Verlust. Es macht das, durch das gefühlte Versagen des eigenen Körpers, eh schon angekratzte Verhältnis zu diesem, noch schwerer.

Jede Frau muss durchs Wochenbett, da bin ich wohl keine Ausnahme und viele Frauen nehmen während der Schwangerschaft zu, aber die meisten Mamas halten dabei auch ein Kind im Arm. Ich nicht und das hat mich oft wütend gemacht.

 

Als dann das erste Mal meine Periode (nach exakt 5 Wochen) wieder einsetzte, genau am Hochzeitstag meines kleinen Bruders, war ich mal wieder sauer. Warum musste das Timing so beschissen sein. Familienfeiern machen es mir doch eh nochmal schwerer. Dann vermisse ich meine Johanna doch nochmal so viel mehr, obwohl das doch eigentlich gar nicht mehr geht.

Ich war immer noch zu dick für meine Kleider, das Umstandskleid, das ich mir extra für die Hochzeit gekauft hatte, brauchte ich nicht mehr - meine Mama half mir mit einem Kleid von ihr aus. Denn ganz lang habe ich mich dagegen gewehrt, mir neue passende Klamotten zu kaufen. Ich wollte doch gar nicht so dick sein, und andere Klamotten kaufen die ich eigentlich ja gar nicht tragen wollte, weil ich doch wieder schlank sein wollte. (Irgendwann habe ich mir dann aber doch wenigstens eine Jeans gekauft, die passte. Immer Jogginghose fand ich dann doch auch unpassend).

 

Während der Trauung musste ich fast die ganze Zeit weinen. Es war mir alles zu viel, das erste Mal wieder so viele Leute in der Öffentlichkeit treffen, die erste große Feier ohne Johanna, ich hatte meine Tage, weshalb ich sowie schon nah am Wasser gebaut war und es mir körperlich nicht gut ging, und dann startete die Diashow, mit Babyfotos vom Brautpaar – da war es ganz aus… Unser kleines Mädchen werden wir niemals aufwachsen, laufen lernen, in die Schule gehen, […], heiraten, sehen. Da alle Gäste Maske trugen und die Stühle mit Abstand standen, bekam keiner mit, dass bei mir unentwegt die Tränen flossen. Keiner außer meinem kleinen Bruder – er, der Bräutigam, hatte es von der Bühne aus gesehen. Wie leid mir das tat, aber ich bekam es einfach nicht kontrolliert…

 

Jetzt nach 9 Monaten hab ich endlich wieder das Gewicht von vor der Schwangerschaft erreicht – wie krass die Geburt von Johanna ist schon 9 Monate her… Gefühlt war es gestern und andererseits ist es an manchen Tagen so absurd, weit weg und unreal, dass ich mal schwanger war und ein Kind zur Welt gebracht habe. Alles so unreal und so real zu gleich. Das Weinen weniger geworden, das Vermissen unverändert stark, der Schmerz immer noch da, aber auch die Dankbarkeit für unser Kind bahnt sich immer wieder den Weg. Vergessen - auf keinen Fall, kein einziger Tag vergeht an dem ich nicht mehrmals an unsere Johanna denke.


Tabea 06.12.2021