23 Frieden


Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich geschafft habe etwas zu schreiben. Die Zeit dafür ist knapp und wenn ich Zeit habe bin ich zu müde zum Schreiben, doch in mehreren Etappen konnte ich die Gedanken die mich zuletzt bewegt haben aufschreiben. Ich hoffe sie sind trotz Schlafmagel nicht all zu chaotisch...

Die letzte Zeit war irgendwie übersäht mit unschönen Nachrichten in unserem Umfeld. Doch oder vielleicht deswegen musste ich zuletzt nochmal viel über Frieden nachdenken. Passend vielleicht zu der angeblich so "friedvollen" Weihnachtszeit...


Am Sonntag, den 10. Dezember wurde Joel in unserer Gemeinde gesegnet. Während dem letzten Lied vor der Segnung fragte unser Pastor, ob Jonas und ich noch etwas sagen wollten, aber so spontan bin ich irgendwie dann doch nicht und wusste so auf die Schnelle nicht was ich hätte sagen sollen. Was ich hätte erzählen können damit die anderen im Gottesdienst damit gesegnet worden wären und Gott groß gemacht hätte. Also was wo deutlich geworden wäre wie gut Gott ist, was er für ein Wunder getan hat. Ich meine klar wir halten unser Wunder in den Händen: unser  Joel ist ein Wunder und ein großes Geschenk (aber das gilt prinzipiell ja auch für jedes andere Kind) und an sich hatten ja schon viele von unserer Geschichte gehört, im Newsletter und bei der Vorstellung des neuen Familiendienstes der Gemeinde. Und dann dachte ich vielleicht ist es auch gut wenn es bei Joel’s Segnung nur um ihn geht und nicht um unsere Vorgeschichte und seine Geschwister.

 

Zu Hause habe ich dann die letzten Tage viel darüber nachgedacht was ich denn zu sagen hätte was ich noch nicht gesagt habe. Nach und nach blieben meine Gedanken immer wieder bei „übernatürlichem Frieden“ hängen. Übernatürlicher Frieden, göttlicher Frieden, den nur Gott geben kann, der allen Verstand übersteigt (Philipper 4,7).  Ja genau, diesen Frieden hat Gott mir während der Schwangerschaft mit Joel geschenkt.

 

Im Text 16 – Johanna – du wirst große Schwester habe ich schon mal davon geschrieben, dass ich lange gebraucht habe um Mut für eine neue Schwangerschaft zu finden. Ich hatte Angst vorm Schwanger sein, weil es mir bei Johanna so mies ging und mir ging es auch bei Joel wieder sehr schlecht. Ich mag schwanger sein nicht. Ich hatte Angst, dass sich alles wiederholt, dass wir nochmal ein Kind verlieren - einfach Angst vor der Angst. Und auch als wir dennoch die Entscheidung trafen, es nochmal zu versuchen, war die Angst noch da. Doch dann wurde ich schnell schwanger und sehr schnell ging es mir körperlich wieder sehr schlecht, eigentlich noch schlechter als bei Johanna. Aber Angst - Angst hatte ich nicht. Ich hatte keine Angst unser Baby zu verlieren, ich war ruhig und zuversichtlich, dass unser Baby bei uns leben würde. Warum nicht? Ich hab bisher, wenn ich gefragt wurde immer nur geantwortet ich weiß es nicht, es war ein Geschenk von Gott.

 

Jetzt wo ich so drüber nachdenke glaube ich es war Gottes übernatürlicher Friede der den Verstand übersteigt. Für diesen hatte ich so oft gebetet. Nach Johannas Geburt und auch schon nach den ersten beiden Fehlgeburten, doch er hatte sich wenn überhaupt immer nur ganz kurz mal eingestellt. Ich war zwischendurch immer wieder frustriert warum Gott mein Gebet nicht einfach erhört und mir diese Ruhe und diesen Frieden schenkt – langfristig und dauerhaft, denn alles andere kostete so viel Kraft.

 

Während der Schwangerschaft hat er mir diesen Frieden definitiv geschenkt. Es wäre ja nur logisch und verständlich gewesen wenn ich Angst gehabt hätte, wenn Sorgen meine täglichen Begleiter gewesen wären, wenn ich jedes Wehwehchen versucht hätte zu deuten auf irgendwas was nicht stimmt und ich mich gefragt hätte, ob wir Joel wohl behalten dürfen; doch ich war mir immer sicher, dass dieses Baby bei uns bleibt. Und für diese Gewissheit gibt es meiner Meinung nach keine andere Erklärung: Es war Gottes übernatürlicher Friede, der den Verstand, die Logik und alles menschliche Denken und Sorgen machen übersteigt. Er hat meine Gebete gehört und erhört, aber erst viel später und zu (s)einem ganz anderen Zeitpunkt als ich mir das gewünscht hätte – warum?

 

Es wäre doch so viel einfacher gewesen die ganze Trauerzeit über diesen Frieden gehabt zu haben, diese Gewissheit, dass Jonas und ich nicht alleine bleiben, dass Gott alle Unsicherheiten und Fragen beseitigt hätte. Ich hätte das toll gefunden! Das andere war so anstrengend, kostete so viel Kraft, doch vielleicht wollte genau Gott das nicht:  mir alles ganz leicht machen, mich da so einfach durchschlittern lassen ohne das es mich verändert. Vielleicht wollte er, dass ich mich dadurch kämpfe, gemeinsam mit ihm, damit ich mehr lerne, damit ich anders lerne, damit ich durch meine eigenen Erfahrungen anderen anders helfen kann. Vielleicht wollte er mich an meine Grenzen bringen und auch ein gutes Stück darüber hinaus, damit ich wirklich nicht mehr alleine dadurch gehen konnte, sondern das ich verstand, dass ich ihn wirklich brauche und es nicht mehr aus eigener Kraft versuche mein Leben zu leben und zu planen, damit ich lerne aus ihm zu leben und nicht aus mir selbst. Er hätte mir diesen übernatürlichen Frieden sofort schenken können, doch er wusste was besser ist, was besser für meine Zukunft ist, für das Leben mit ihm. Er wollte mir zeigen, wie er für mich kämpft, wer er ist und was mir Ruhe und Frieden geben darf: nämlich die Gewissheit und das Erleben, dass er da ist, dass er das Beste (was auch immer das ist) im Sinn hat, dass er mich begleitet bei, bzw. trotz all dem Mist auf dieser Welt. Hier ist nun mal nicht alles toll, wir leben in einer unsicheren gefallenen Welt. Einer Welt die von Angst, Unsicherheit, Krankheit, Tod, Schmerz, Verletzungen, Krieg, etc. geplagt ist und in dieser Zeit will er uns nicht nur einfach Frieden schenken, sondern er will uns dahin führen, dass wir lernen wodurch wir Frieden erleben dürfen, in dem Wissen dass er da ist.

 

Wie viel bequemer wäre es gewesen hätte er mir den Frieden früher geschenkt, wie viel schöner wäre es Gott würde uns allen „einfach“ diesen Frieden schenken, doch vielleicht würden wir dann auch vergessen wer uns diesen Frieden schenkt und warum wir diesen Frieden haben dürfen, warum wir ruhig sein können. Vielleicht würden wir schnell vergessen, dass der Friede von Gott kommt, dass wir den nicht selbst verdienen, erarbeiten können, sondern dass er ihn schenkt. Vielleicht würden wir Gott ganz schnell links liegen lassen, weil wir einfach nicht lernen würden woher der Friede kommt und was wir tun können, wenn wir diesen Frieden nicht spüren können. Vielleicht würden wir vergessen an wen wir uns wenden müssen, wer an unserer Seite kämpft, gerade wenn alles so dunkel und kein Frieden in Sicht ist. Denn auf dieser Welt geschehen so viele Dinge die den Frieden rauben und zerstören können. Umso wichtiger ist es, dass wir lernen wer mit uns geht, wer vor uns herzieht und für uns kämpft, damit wir ruhig sein dürfen: „Der Herr wird heute für dich kämpfen und du sollst still sein“ (2. Mose 14,13-14). Dieses ruhig sein ist nicht immer leicht, im Gegenteil es ist oft sau schwer. Doch wir sind nicht allein, nie, in keiner Lebenslage so düster sie auch scheinen mag.

 

In der Welt gibt es so viel was Angst macht, was es einem Sorgen bereitet. Wir haben so viele unbeantwortete Fragen. Gott selbst hat ja gesagt in der Welt habt ihr Angst (Johannes 16,33), doch dürfen wir in unserer Angst wissen, dass Gott alles überwunden - besiegt hat. Das verändert nicht die äußeren Umstände in denen wir uns befinden, aber es kann verändern wie wir mit den Umständen umgehen und wie wir ihnen begegnen: allein und ängstlich, da sie wie ein großer Berg vor uns stehen und vor dem uns Angst und Bang wird; schlaflos, da wir so sehr verunsichert und aufgewühlt sind; oder ruhig und gelassen, da wir erfahren und lernen dürfen wie stark unser Gott ist und wie stark wir dadurch an seiner Seite sein können. Wie sicher und geborgen wir in ihm sind, egal wie die Umstände gerade aussehen.

 

Ich habe in den letzten Jahren schon viel gelernt und dennoch ertappe ich mich immer wieder bei dem Versuch selbst zu kämpfen, spüre Angst und Sorgen in mir auflodern. Erwische mich dabei wie ich auf die Dinge schaue die mir Angst machen, mich verwirren und verunsichern statt auf den zu blicken der die Welt überwunden hat, der an unserer Seite ist, der mich sicher durch mein Leben trägt (was nicht bedeutet, dass keine Narben entstehen unterwegs), der mitten im Chaos immer da ist und der mir seinen übernatürlichen Frieden schenken will und der mich immer wieder erkennen lässt, dass ich mich nicht alleine abmühen brauche, sondern das er tragen will. Er hat mir auch immer wieder in den letzten Jahren gezeigt, dass ich mir selbst diesen Frieden nicht erarbeiten oder erkämpfen kann, sondern dass er allein der ist der meinen Verstand übersteigt und mir Ruhe schenken möchte wenn ich ruhig werde und auf ihn schaue.

 

Gott ist da, in all meiner Angst und meinen Fragen (und davon hab ich viele, denn ich verstehe die Welt und was darauf passiert nicht), doch ich darf diese Fragen abgeben und Gott meine Angst vor die Füße werfen, ich kann offen und ehrlich sein. Das oft anstrengend und kostet mich Kraft, doch danach darf ich erleben wie Ruhe und Kraft einkehrt, weil er seine in mich hinein legt.

 

Ich weiß nicht warum es uns Menschen (zumindest mir) so schwer fällt ihm wirklich voll und ganz und immer zu vertrauen. Vielleicht weil einfach so viel Schlimmes um uns rum passiert, aber ich möchte immer mehr lernen mich auf ihn zu stützen, auf ihn zu verlassen und ihn kämpfen zu lassen. Ohne Kampf ist diese Welt nicht: ein Kampf zwischen Licht und Finsternis und der wird sein und bleiben bis Jesus wiederkommt. Doch eins steht fest: Ich kämpfe ihn nicht allein und ich weiß wie der Kampf am Ende ausgeht: Gott wird über allem triumphieren und das Leid beenden!


Tabea - Dezember 2023