20 Johannas 2. Geburtstag

Zwei Monate ist Johannas zweiter Geburtstag jetzt her. Dieses Jahr fällt es mir so schwer darüber zu schreiben. War doch irgendwie alles anders als gedacht bzw. als ich es mir vorgestellt hatte...


Letztes Jahr war es so ein wunderschöner Tag gewesen, sodass ich mich dieses Jahr schon seit Januar auf Johannas Geburtstag gefreut habe und ihn kaum erwarten konnte. Ich überlegte schon was wir machen könnten und plante.

Doch wie so oft kam alles anders als gedacht.

Statt zu zweit nochmal wegzufahren bevor der Kleine kommt (wie zuerst überlegt), buchten wir keinen Urlaub, da es mir noch nicht so gut ging. Lange Wanderungen eh nicht geklappt hatten nachdem ich so lange gelegen hatte. Essen immer noch schwierig war, auch wenn es mittlerweile meist drin blieb konnte ich nicht einfach alles wieder essen.

Also blieben wir Zuhause und überlegten wie wir uns trotzdem ein schönes langes Wochenende machen konnten. Wir buchten für Freitag eine Paarmassage, Samstag waren wir zusammen im Kino, allein im Kinosaal, das war fein und gingen anschließend noch einiges an Besorgungen für unseren kleinen Nachwuchs erledigen. Eigentlich waren wir den ganzen Tag unterwegs.

 

Der Sonntag, Johannas 2. Geburtstag, rückte immer näher. Wir reservierten einen Tisch zum Frühstücken, wir wollten wieder schöne Fotos machen, bisschen spazieren gehen, Kuchen backen, ... Doch schon Tage im Voraus war die Wettervorhersage für Sonntag schlecht, Regen, Schnee, Regen. Wir überlegten und suchten nach einer trockenen schönen Alternative zum Fotos machen statt wieder in den Wald zu gehen, der uns so viel bedeutet. Aber so wirklich was Zufriedenstellendes fanden wir nicht und meine Laune wurde immer schlechter und die Vorfreude schwand dahin. Selbst das Besorgen der Luftballons am Samstag verlief schwieriger als erwartet.

 

So startete der Tag ohne viel Freude, das Frühstücken gehen war schön, doch ich war ganz schön platt vom Vortag. Wir erhielten, anders als im Jahr zu vor kaum Nachrichten, Karten oder ähnliches. Das machte mich traurig. Hatten die Leute den Tag einfach vergessen oder dachten einige, dass es jetzt wo wir wieder ein Kind erwarten, der Verlust von Johanna nicht mehr so schmerzt? Danke, an die die dran gedacht haben und uns geschrieben haben.

Nach dem Frühstück kamen wir an dem Friedhof vorbei auf dem Johanna beerdigt ist. Ich fahre nach wie vor eigentlich nie gezielt dorthin, doch wir beide wollten nicht einfach dran vorbeifahren und hielten an. Wir gingen zu ihrem Grab. Meine Eltern hatten am Tag zuvor die neu bepflanzte Herzschale hingestellt. Wir machten ein paar Fotos vom Grabstein mit der Blumenschale und den Herzen die meine Eltern im Baum direkt oberhalb vom Grab auf gehangen hatten. Es nieselte vor sich hin. Und so war die ganze Stimmung bei mir auch, irgendwie ungemütlich und traurig.

Zuhause angekommen nahm ich mir Johannas Erinnerungskiste, schaute mit Jonas alles zusammen durch und weinte viel. So verrückt. Im vergangenen Jahr hatte ich gar nicht geweint. Lag es dieses Jahr an den Hormonen der Schwangerschaft und dass ich mich eh nicht so gut fühlte? Oder lag es daran, dass ich ganz schön müde und platt vom vollen Samstag war? Oder daran, dass mir nochmal so bewusst wurde, dass es beide geben könnte. Johanna und unseren kleinen Sohn. Und wie schön, das wäre.

 

Vor ein paar Wochen schickte jemand aus unserem Geburtsvorbereitungskurs ein super goldiges Video in die Whatsappgruppe. Es zeigte den kleinen super stolzen zweijährigen Sohn mit der frisch geborenen kleinen Schwester. So niedlich wie liebevoll und fasziniert er seine Schwester betrachtete. Und zack – meine Gedanken gingen zu Johanna und ihrem kleinen Bruder. Wie gern ich sie beide zusammen aufwachsen sehen würde. Sie dabei beobachten würde wie sie sich kennenlernen und die strahlenden Augen von Johanna sehen würde. Oh ja wir freuen uns so riesig auf den kleinen Mann und können es kaum erwarten ihn endlich in die Arme nehmen zu können, doch Johanna wird immer irgendwie fehlen.

 

Und die Erinnerungen bleiben und machen es nicht immer leicht. Nach den ersten beiden Terminen des Geburtsvorbereitungskurses konnte ich nachts nicht schlafen. Hab viel und sehr intensiv geweint, so viel wie lange nicht. Hab Jonas seit langem nochmal vom Schlafen abgehalten. Alles was wir im Kurs hörten erinnerte mich an Johannas Geburt, die in manchen Bereichen doch so anders war und ich erlebte die ganze Situation rund um die Geburt von ihr nochmal sehr intensiv nach und es schmerzte, der Verlust von Johanna schmerzt. Es ist immer seltener doch manchmal blobbt es auf und dann tut es einfach nur weh.

Sätze der Hebamme wie: „Wehen sind etwas Gutes und positives, sie bringen euch eurem Kind näher“, sind ja sehr wahr, doch ich musste nur daran denken wie genau diese Wehen das Problem bei Johanna waren und gefühlt alles zerstört haben. Und jeder Moment war so real wieder vor meinen Augen, die Abläufe, die Aussagen der Sanitäter, Hebammen und Ärzte. Die ersten Tage nach Johannas Geburt usw. Vergessen ist nichts. Und es wird auch nicht durch ein weiteres Kind ausgelöscht. So glücklich und dankbar wir für unseren kleinen Schatz sind, der bald bei uns sein wird und auf den wir uns so überdermaßen freuen.

Manchmal denke ich, der Kleine wird es gar nicht so leicht haben, ist er einerseits unser erstes Kind mit dem wir leben werden, doch gleichzeitig ist und wird er nie wirklich unser erstes Kind sein. Ich hoffe und bete immer wieder für Weisheit, dass wir gut mit ihm umgehen in Bezug auf seine Geschwister und dass er nie darunter leiden muss, sondern dass es für ihn etwas Natürliches und nichts Komisches wird, dass er Geschwister im Himmel hat.

Platt und erschöpft überlegten wir, nachdem ich mich soweit ausgeweint hatte und wir ein bisschen auf dem Sofa geruht hatten, wie wir das mit den Fotos machen sollten. Die Bilder bedeuten mir so unfassbar viel. Doch das Wetter wurde nicht besser und ich war so kroggi und konnte mich nicht aufraffen irgendwo hinzufahren. Also entschieden wir erstmal Zuhause Bilder zu machen und wenn die zufriedenstellend wären es dabei zu belassen.
Sie wurden nicht so schön wie im letzten Jahr, aber ich selbst gefiel mir halt leider auch nicht so gut darauf. Hatte ich doch einiges zugenommen, trotz der vielen Übelkeit und dem vielen Erbrechen und verweint war ich auch. Daher wollte ich nicht mehr irgendwo hin, weil die Bilder mir vermutlich eh nicht besser gefallen hätten.

Abends wollten wir eigentlich essen gehen, aber sowohl Samstag als auch Sonntag ging niemand in dem Restaurant ans Telefon, in dem wir auch im vergangenen Jahr waren und in das wir gerne wollten, und auf gut Glück wollte ich nicht losfahren, also bestellten wir uns Pizza nach Hause.

 

Ein seltsamer, sehr emotionaler Tag. Ein Wochenende mit schönen Momenten aber auch vielen sehr herausfordernden Zeiten ging zu Ende.


Tabea - 12. Mai 2023