7 Angst vor einer weiteren Schwangerschaft

Ich wünsche mir so sehr eigene Kinder und gleichzeitig habe ich eine riesen Angst davor nochmal schwanger zu werden.


Im letzten Zyklus überkam mich auf einmal und mit voller Wut eine panische Angst davor schwanger zu sein. Total absurd eigentlich und es überraschte mich selbst wie stark diese Angst war. Und es ist nicht die Angst wieder ein Kind zu verlieren, nein es ist die Angst vor der Schwangerschaft an sich. 
Die Schwangerschaft mit Johanna war, völlig unabhängig davon wie sie ausgegangen ist, schrecklich und nichts was ich wieder erleben möchte. Ich wünsche mir unfassbar doll eigene Kinder und würde so gerne schwanger sein, einen runden Bauch haben und es genießen zu können. Das hab ich mir immer gewünscht und das wünsche ich mir jetzt auch noch. Aber die Erfahrungen in der letzten Schwangerschaft waren furchtbar und etwas was ich auf keinen Fall wieder erleben möchte. In der Gesellschaft und bei vielen Müttern kursiert der Satz: „Wenn dein Kind erstmal da ist, ist alles andere vergessen“, aber vergessen ist bei mir nichts. Im Gegenteil: es ist mehr als präsent und macht mir Angst! 

Mein Körper war irgendwie von Anfang an komplett überfordert mit allem. Schon einige Tage bevor es sich gelohnt hätte einen Schwangerschaftstest zu machen war mir schlecht, übel, müde und hatte ich Schmerzen im Unterleib. Als dann der Test ein paar Tage später positiv war, freute ich mich. Auch wenn gleichzeitig der Gedanke da war: Mir ging es doch endlich wieder gut und jetzt bin ich schon wieder am Limit meiner Kraft. Und das blieb so. Diese Übelkeit von früh bis spät, die ganzen 5 Monate lang. Verschiedene Medikamente die nicht wirklich halfen. Ich hab so unglaublich viel geschlafen, nachts 10-11 h und tagsüber noch 1-3 Nickerchen zwischendurch. 
Wie viel Stunden hab ich wohl einfach auf dem Sofa gelegen, gehofft nicht kotzen zu müssen und das die Übelkeit verschwindet und dieser furchtbare nie fortgehende Geschmack im Mund endlich verschwindet. Der hat mich regelrecht verrückt gemacht. Wie viele Stunden Hörspiele ich wohl gehört habe oder wie viele Tränen ich geweint habe, weil ich mich so elend gefühlt habe. 
Meine Nase so empfindlich, dass ich Jonas, meinen tollen Mann im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen konnte. Selbst frisch geduscht war es mir unangenehm, wenn ich ihn riechen konnte. Wenn er von der Arbeit kam konnte ich so viele verschiedene Bürogerüche (Kaffee, obwohl er selbst keinen trinkt, viele Menschen, Papier,…) riechen, die mir wieder mehr Übelkeit bescherten. Sonst rieche ich nie was wenn er nach Hause kommt.  
Wie sehr habe ich es am Anfang unserer Beziehungszeit geliebt einen von Jonas getragenen Pulli mit ins Bett zu nehmen um ihn riechen zu können, wenn ich abends wieder nicht schlafen konnte, weil es auf der Arbeit und mit seinen Eltern so viele Herausforderungen gab. Dieser Geruch der mir Ruhe, Geborgenheit und Kraft schenkte, der gleiche Geruch den ich während der Schwangerschaft nicht ertragen konnte und die Übelkeit verschlimmerte. 
Ebenso die liebevollen Berührungen, das Rücken kraulen, in den Arm nehmen… Wie sehr liebe ich es Jonas nah zu sein, mich halten zu lassen. Aber ich konnte es nicht ertragen. Wenn er nur einmal kurz meinen Rücken streichelte wurde mir schlecht – von nem Kuss ganz zu schweigen. Ich konnte seine Nähe nicht aushalten und gleichzeitig habe ich mich so extrem danach gesehnt, hab ich ihn gebraucht weil ich so Kraft los war und es mir so schlecht ging. 
Wenn er meinen Bauch streichelte oder küsste, musste ich mich so zusammen reißen, wollte es aber ihm doch auch nicht verbieten. Es war ja auch sein kleines Kind, auf das er sich freute und das freute mich ja eigentlich auch. Wie sehr der Papa sein Kind schon liebt, stolz ist und nach Möglichkeiten sucht Kontakt zu haben… Aber es war unangenehm. 

Und es mich gleichzeitig so doll geärgert hat, dass ich mich nicht einfach nur freuen konnte, dass es unserem Baby gut geht und wir endlich ein Kind bekommen, was wir uns so sehr gewünscht haben.

Die meiste Zeit über hab ich einfach nichts geschafft. Meine Mama hat für uns gekocht, Josy, unser Hund hat bei meinen Eltern gewohnt, gebügelt und geputzt hat auch Mama, eingekauft hat Jonas, Gerüche in Geschäften waren eine Qual, als ich mal mit war, hatte ich Angst in den Laden kotzen zu müssen. Ich war so heilfroh als ich wieder zu Hause war. Jede Autofahrt – nur mit Eimer – war ein hoffen darauf endlich anzukommen, aussteigen und mich irgendwo auf ein Sofa oder einen Stuhl niederlassen zu können. 

Ich hab mir früher immer vorgestellt wie ich das Schwangersein genieße, Zeit zum Nähen und Basteln habe (aber ich hab nie genäht oder gebastelt), Zeit andere zu sehen (ich hab kaum jmd. gesehen und wenn war ich immer froh wenn ich wieder allein auf meinem Sofa war, es war einfach zu anstrengend sich zu unterhalten oder zu konzentrieren). Ja dieses konzentrieren, zwei Seiten lesen fühlte sich an wie eine Hochleistung… Gesellschaftsspiel spielen – zu viel, Lesen – zu viel, mit Leuten sprechen oder schreiben – zu viel, Duschen – anstrengend, danach erstmal ein Päuschen, selbst das so sehr von mir geliebte Adventskalender auspacken im Dezember hat Kraft gekostet und war fast schon zu viel (normal ist das in der Adventszeit das Erste was ich morgens mache, aber während dem Dez. 2020 hab ich mich irgendwann am Tag aufgerafft ein Päckchen auszupacken), alles war einfach zu viel.

Jeder Termin beim Frauenarzt brachte mir ein neues Medikament ein. Ich hab noch nie so viele Medikamente genommen wie während der Schwangerschaft, ist das nicht völlig absurd und widersprüchlich? Übelkeit – dann das, immer noch täglich kotzen – dann das, der Blutdruck entgleiste – neues Medikament und täglich morgens und abends Blutdruck messen, usw. Gedanken machen ob wohl alles gut geht oder ob es mir und/oder dem Kind schadet. Dumm diese Gedanken, denn da sind die Ärzte sich bisher alle einig: Johannas zu frühe Geburt hatte nichts mit dem Bluthochdruck zu tun. 

So viele Sachen die ich ausgekotzt habe, liebevoll von meinem Schatz zubereitet. Am Bett, auf der Couch, mein Schatz hat sich so bemüht und gekümmert, war ständig einkaufen um was Neues zu probieren, aber jetzt gibt es so viele Dinge bei denen mir schon nur beim dran denken schlecht wird und ich nicht mehr essen kann. 

Aber am schlimmsten war diese gefühlte Ferne zu meinem Lieblingsschatz, meinem Mann. Wie sehr ich ihn vermisst habe in dieser Zeit, wie schrecklich es sich angefühlt hat ihm nicht nah sein zu können, nicht kognitiv, nicht emotional, nicht körperlich,… Ich will das einfach nie wieder spüren und so erleben. Aber das widerspricht so sehr dem Wunsch eigene Kinder zu bekommen. 

 

Am Sonntag war Jonas Schwester mit Familie da. Ungefähr im 5. Monat schwanger – Entbindungstermin ist im März (also der Zeitpunkt an dem unsere Johanna kam und an dem ich immer noch täglich gekotzt habe). Aus der USA nach hier gereist, immer auf Achse und Leute treffen. Was war bei mir falsch. Ist mein Körper wirklich gar nicht in der Lage schwanger zu sein und damit total überfordert? 
Gut, wenn sich das Ergebnis aus der Humangenetik (Verdacht auf Ehlers-Danlos-Syndrom) bestätigt stimmt es wohl schon, dass er es nicht so einfach schafft, aber reicht es dann wenn er Unterstützung bekommt, ich noch mehr liege als ich das eh schon getan habe, reicht dann eine OP, oder was es sonst noch für Maßnahmen werden? Oder wird eine nächste Schwangerschaft nur noch herausfordernder, weil zu dem allen noch weitere Maßnahmen und Medikamente und OPs kommen. Und dann Kaiserschnitt, so hatte ich mir das echt nie vorgestellt. Gut nicht das Schlimmste, aber auch nicht der optimalste Start ins Leben. 
Jonas sagt erstmal abwarten was die Ergebnisse letztendlich sagen und was der Frauenarzt daraufhin denkt und sagt wie die Chancen und Risiken aussehen. 
Wie gerne wäre ich auch so entspannt aber so oft denke ich darüber nach was das bedeutet und ob ich bereit bin das Risiko nochmal ein zugehen. 
Und das klingt schlimm, ich liebe meine Johanna und ich will es nicht mehr Rückgängig machen, dass ich schwanger war und es sie gibt aber schaffe ich das nochmal bewusst anzugehen. 
Aber ich will auch nicht Jonas die Chance auf eine Familie verwehren nur, weil ich nicht bereit bin dafür zu leiden, und ich mich frage ob ich dann die Entscheidung vlt. irgendwann zu tiefst bedauern würde und klar jede Schwangerschaft ist anders aber mein Optimismus in dem Bereich ist doch ziemlich getrübt. 
Und Kinder sind ein so wertvolles Geschenk, dass es sich wohl zu leiden lohnt, aber ich weiß manchmal nicht ob ich das schaffe.

Samstagabend habe ich mich nochmal seit langem in den Schlaf geweint, bzw. auch nicht geschlafen. Es fühlt sich schrecklich an einen Körper zu haben der nicht funktioniert und es fühlt sich schrecklich an, dem Mann, den ich über alles liebe keine Kinder schenken zu können oder ggf. es nicht zu wollen (je nachdem was der Frauenarzt sagt), weil ich Angst davor habe, dass nochmal alles zu erleben. 
Außerdem wollte ich Jonas schwangere Schwester am nächsten Tag nicht sehen. Ich wollte diesen hübschen Bauch nicht sehen, daran erinnert werden was im März passiert ist und sehen, wie sehr andere sich auf ihre Kinder freuen dürfen und alles soweit ganz gut läuft, eine wachsende Familie sehen, etwas was wir vlt. nie bekommen werden. Wird das wohl jemals leichter werden? 
Eigentlich denke ich schon. Ich war so froh, dass ich beim letzten Familienfrühstück mit meiner Nichte (10 Monate) spielen konnte und es gar nicht wehgetan hat. Und dann kurz später haut es doch wieder so rein. Vlt. ist Schwangere sehen aber auch noch schlimmer als kleine Kinder zu sehen. 

Am Dienstagabend waren wir bei Jonas Papa, Jonas Schwester und Familie war auch da. Mit Jonas Nichte (4 Jahre) zu spielen, rumzublödeln, von ihr umarmt zu werden Küsschen zu bekommen – eigentlich erstaunlich ok und doch taucht zwischendurch immer wieder der Gedanke auf: „Ach wenn ich das doch nur mit unserer Tochter erleben könnte…“ Und wenn dann solche Treffen rum sind bin ich hundemüde und ko. 

Ich weiß Gott kann Wunder tun. Darauf haben wir bei Johanna vertraut und das tun wir auch jetzt, aber immer wieder kommt die Frage auf, ob das Gottes Wille für uns ist und in seinen großen Plan passt oder ob es nur unser Wille ist. Sind Kinder vlt. nur mein Plan fürs Leben und hat Gott vlt. einen ganz anderen sehr guten Plan für uns. 
Bin ich bereit mich auf diesen einzulassen und anzunehmen. Ja bin ich – insgesamt schon, aber manchmal überkommt mich die Angst, die Sorgen und der Wunsch selbst mein Leben zu planen nach meinen Vorstellungen und dann soll Gott sich doch bitte an meinen Vorstellungen orientieren und mir das ermöglichen was ich mir so sehnlichst wünsche. 
Aber ich möchte mich an Gottes Vorstellungen orientieren und ihm folgen. Leicht ist das nicht immer und immer wieder muss ich mich neu dazu entscheiden und manchmal dauert es ein paar Tage bis ich das wieder kann, bis Gott wieder die Oberhand in meinen Gedanken gewinnt und wir gemeinsam die Lügen des Satans vertreiben können. 
Immer wieder muss ich darüber nachdenken, dass es nicht Vertrauen ist, wenn ich Gott nur vertraue, dass er es gut mit mir meint wenn er meine Wünsche erfüllt und der Weg den wir gehen sollen so aussieht wie ich ihn mir vorstelle, sondern dass es mehr vertrauen bedarf und dass das wirkliches Vertrauen ist, dass ich daran glaube, dass Gott es gut mit mir meint, für mich sorgt, mir genug ist, mir dann nichts mangelt und ich erfüllt lebe, wenn ich nicht das bekomme, was ich mir als gut für mich vorstelle oder wenn die Wege nicht so sind, wie ich mir das denke und gehen möchte. Denn dann bin ich abhängig von Gott und muss ihm vertrauen, ansonsten vertraue ich, vlt. zu schnell wieder mir selbst und bestimme selbst über mein Leben und versuche aus eigener Kraft zu leben. 

Ganz manchmal stelle ich mir vor, dass ich vlt. irgendwann auf Frauentagen spreche oder eine Arbeit für verwaiste Eltern in der Gemeinde gründe… und dann frag ich mich werde ich dann von meiner Geschichte, meinen Zweifeln und meiner Wut, meiner Enttäuschung und Trauer, meinen Glaubenskämpfen und Entscheidungen berichten und dann von einem Wunder erzählen können, dass Gott uns nach dieser schweren Zeit mit einem Kind beschenkt hat (gibt es solche Geschichten nicht häufig, auch in anderen Bereichen, schwere Zeit und an Gott dran geblieben und dann beschenkt worden) oder werde ich eine Frau sein, die dies alles erzählt und voller Überzeugung sagen kann das Gott gut ist und von Gott bezeugen kann ohne ein Kind geschenkt bekommen zu haben? Was würde mehr Menschen Herzen bewegen, wie würde Gott mehr Menschen erreichen? Die erste oder die zweite Variante? 
Ich weiß es nicht und werde es wohl erst wissen, wenn es soweit ist (wenn es jemals soweit kommt, dass ich mal irgendwo spreche). Ich fühle mich oft schlecht, wenn ich solche Geschichten von anderen Frauen höre. So wie letztens in einem Interview, eine Frau hat diese harte Zeit des unerfüllten Kinderwunsches erlebt und sich mit Gott dadurch gekämpft und nachdem sie viel Gutes und Wertvolles erzählt hat was sie in der Zeit mit Gott erlebt hat, erzählte sie freudestrahlend, dass sie jetzt eine 3-Monate alte Tochter hat. Sollte ich mich nicht eigentlich mit ihr freuen? Aber ich frag mich dann manchmal was ich noch falsch mache, ob ich noch nicht genug geglaubt habe oder wie viel ich erst noch lernen muss. Oder bin ich einfach nur neidisch darauf, dass ich das nicht bekomme? Und zack bin ich wieder an dem Punkt, dass ich denke, ich kann mir das verdienen oder ich hab eine Belohnung verdient wenn ich toll genug geglaubt habe. Und vlt. werde ich aber auch in ein paar Jahren den Kopf über mich selbst schütteln wenn Gott uns ein Kind schenkt und denken wie ungeduldig ich war und im Nachhinein diese Zeit nur kurz gedauert hat, was mir jetzt wie eine halbe Ewigkeit vor kommt. 
Ein Kind bleibt ein Geschenk und ein Geschenk ist etwas das man bekommt ohne etwas dafür zu tun (so sollte es zumindest sein), einfach weil der Geber einen liebt und einem Freude bereiten möchten. Und ich bin mir sicher Gott wird uns immer wieder beschenken aber die Geschenke sehen unterschiedlich aus, wir müssen die Augen dafür offen halten. Manche Geschenke sind offensichtlich (wie z.B. ein Kind) andere unscheinbarer aber nicht weniger wertvoll oder sind nicht weniger ein Liebesbeweis an uns. Gott wird uns für unsere Treue und unseren Dienst belohnen, aber nicht unbedingt mit dem Lohn, den wir uns vorstellen oder vlt. auch fordern, sondern mit einem für uns unvorstellbaren und teilweise auch überraschenden Lohn, der wirklich gut für uns ist – jetzt schon und vor allem in der Ewigkeit. (Denn Gott hat nur an den Menschen Gefallen, die ihm fest vertrauen. Ohne Glauben ist das unmöglich. Wer nämlich zu Gott kommen will, muss darauf vertrauen, dass es ihn gibt und dass er alle belohnen wird, die ihn suchen. Hebräer 11,6).


Tabea - 18. November 2021