4 Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht

Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Diesen Satz kennen wahrscheinlich viele von euch. Und es gibt auch bei der Begleitung und in der Begegnung mit trauernden Eltern Dinge, die zwar gut gemeint sind aber nicht hilfreich, bzw. sogar verletzend sind.


Insgesamt habe ich festgestellt, dass es schlimmer ist wenn jemand nichts sagt, als wenn jemand etwas falsches, für mich unpassendes oder verletzendes sagt. Aber es gibt ein paar Sätze, die absolut nicht hilfreich sind und die es deshalb gut ist zu vermeiden. Ich habe festgestellt, dass es mir mehr hilft, wenn jemand ehrlich sagt, dass er nicht weiß was er sagen soll, und nicht weiß was gerade hilft und wie es uns geht, anstatt, dass jemand versucht sich was kluges und Mut machendes aus der Nase zu ziehen, oder behauptet er wüsste wie es uns geht, denn jeder erlebt es anders. Du darfst einfach sagen, dass du Sprachlos bist, du evtl. nicht nachempfinden kannst wie es den Eltern geht oder was du sagen sollst. Ich war doch selbst auch sprachlos, da hab ich nicht von anderen erwartet, dass sie was Rettendes sagen können. Aber bitte schweige nicht, weil du nicht weißt was du sagen sollst: „Ein ich denk an euch“, denke ich, sollte auf jeden Fall drin sein und manchmal reicht das auch.

 

Ihr seid ja noch jung, vielleicht als Trost gemeint, aber es hat absolut nichts Tröstliches. Ob jung oder alt, wir haben unsere Kinder verloren und das jetzt und um die trauern wir. Und ich weiß, dass nicht nur ich den Satz als unpassend empfunden habe, sondern es ging auch anderen Eltern so, dass sie sich dadurch verletzt gefühlt haben. Ja wir sind jung, aber wir haben uns jetzt eine Familie gewünscht und haben jetzt ein Kind, unser Kind verloren. Da hilft mir die Perspektive, dass wir noch jung sind nicht weiter…

Mein Frauenarzt hat diesen Satz auch gebraucht, aber mit dem Nachsatz, dass er wisse, dass das gerade nicht sehr hilfreich für uns wäre, es für ihn als Mediziner aber bedeutet, dass wir in Ruhe Untersuchungen machen können, um herauszufinden was meinem Körper fehlt und was er braucht, ohne dass es danach medizinisch gesehen zu spät ist Kinder zu bekommen. Da war es okay. Aber wenn du jemanden in deinem Bekanntenkreis hast, versuche ihn nicht damit zu trösten, dass er noch jung ist und später noch Kinder bekommen kann. Denn es geht in dem Moment nicht darum noch ein anderes Kind zu bekommen, denn es gibt keinen Ersatz für eins unserer Kinder. Wir werden uns freuen, sollten wir noch Kinder bekommen, aber diese Perspektive kann ich jetzt sehen. Nach den Fehlgeburten und nach Johannas Geburt wollte ich davon aber nichts hören, denn ich wollte das Kind haben und ich vermisste das Kind – das ich gerade verloren hatte und kein anderes.

 

„Es war ja noch sehr früh und es geht vielen Frauen so, so ist das Leben leider“, „Die Fehlgeburtenrate ist nun mal leider sehr hoch, aber das haben andere auch schon geschafft“. Egal wie früh wir unsere Kinder verloren haben, unsere Johanna hatten wir in der Hand, da kann wohl keiner sagen, dass sie noch kein Kind war, aber auch unsere ersten beiden Kinder sind unsere Kinder, so früh wir sie auch gehen lassen mussten. Es waren unsere Kinder und wir trauern um sie und wir vermissen sie. Und da hilft es absolut nichts, dass es vielen Frauen so geht. Schlimm genug, dass immer noch recht wenig darüber gesprochen wird. Es macht es nicht weniger schlimm nur weil viele Menschen das erleben.

 

Sätze wie „Stell dich nicht so an“ sind denke ich selbstverständlich unangebracht. Aber auch sowas wie „Es ist doch jetzt schon … Wochen her, jetzt solltest du wieder dies oder jenes“, sind nicht hilfreich. Jeder trauert anders und bei jedem dauert diese Phase unterschiedlich lang und das ist okay. Die Trauer darf ruhig auch Wochen, Monate auch Jahre dauern. Und in gewisser Weise bleibt sie auch ein ständiger Begleiter im Leben, aber die Intensität verändert sich.

 

Ein absolutes No Go ist: "Zu Pandemie-Zeiten ist eine Schwangerschaft eh nicht gut". Als eine andere betroffene Mutter mir erzählte, dass sie diesen Satz nach einer Fehlgeburt gesagt bekommen habe, hat mich das echt sauer gemacht. Ja Corona kann gefährlich sein für Schwangere und das ungeborene Kind (aber das können andere Dinge auch) und klar macht es die ganzen Termine, Untersuchungen, Geburt, Besuch, etc. herausfordernder aber kein Grund nun keine Kinder mehr zu bekommen und absolut kein Trost so etwas gesagt zu bekommen. Als ob man noch dankbar sein sollte, dass man ein Kind verloren hat.

 

Bibelverse, ich mag Bibelverse und sie helfen mir oft, da Gott auf diesem Wege mit mir spricht, mir Mut macht und mich trägt. Aber wähle diese Verse weise! Gerade nach der ersten Fehlgeburt, als mein Vertrauen in Gott wackelte und ich so wütend auf ihn war, waren die meisten Verse nicht hilfreich, sondern lachten mich aus. Und auch nach Johannas Geburt, als meine Beziehung zu Gott wieder stark war, gab es hilfreiche und weniger hilfreiche Verse. Ein Beispiel dazu ist der Klassiker: „Denen, die Gott lieben werden alle Dinge zum Besten dienen“ (Römer 8,28), der hat mir gerade am Anfang der Trauerphase nicht geholfen. Ja ich weiß, dass er wahr ist, aber anders als wir manchmal denken, hier geht es darum, dass wir Jesus immer ähnlicher werden und nach dem Verlust unserer Johanna, wollte ich Johanna zurück und alles andere erschien mir in diesem Moment als nicht gut oder erstrebenswert. Es gab für mich nichts Besseres als Johanna.

 

Gerade nach dem Verlust von Johanna haben uns viele Leute gefragt: "Was ist passiert und wieso?" Klar, dass diese Fragen viele Menschen beschäftigen. Für mich war das okay, denn so konnte ich immer wieder über das erlebte sprechen und das tat mir gut. Es gibt aber vielleicht auch Menschen die damit zunächst überfordert sind, die anders sind damit umzugehen. Dann frag einfach und sag gleichzeitig, dass es okay ist wenn dir die Eltern auf diese Fragen nicht antworten. Vielleicht ist es auch nur ein noch nicht. Oder es fragen zu viele gleichzeitig und das ist dann vielleicht zunächst zu viel. Und formuliere diese Fragen niemals vorwurfsvoll! Denn Vorwürfe hab ich mir genug gemacht und da hat es am Anfang auch nicht geholfen, dass Ärzte und Hebamme, etc. immer wieder Wert darauf gelegt haben uns schon im Krankenhaus zu sagen, dass es nicht unsere Schuld war.

 

Du bist schwanger und weißt nicht, wie du das Eltern, die ihr Kind verloren haben erzählen sollst ohne sie zu verletzen? Dann muss ich ehrlich sagen, ich weiß es auch nicht. Ich habe in den letzten Jahren einige Freunde und Verwandte gehabt, die schwanger geworden sind und Kinder bekommen haben. Und es hat mir jedes Mal wehgetan. Aber dennoch macht es einen Unterschied wie ich es gesagt bekommen habe und wie die Person im Weiteren damit umgegangen ist. Ich wünsche es keinem ein Kind zu verlieren oder lange auf eins warten zu müssen, und dennoch konnte ich mich nie ganz und gar mitfreuen. Ich möchte aber gerne erzählen, was es mir leichter gemacht hat…

 

Es gibt unterschiedliche Arten zu erzählen, dass man schwanger ist. Man kann entweder sagen: „Hey, ich bin schwanger und wir freuen uns so und uns geht es so und so und wir machen jetzt dies oder jenes, etc.“ oder man kann sagen: „Hallo Tabea, ich weiß nicht genau wie ich es dir sagen soll, weil ich dich nicht verletzen möchte, aber ich bin schwanger. Wir freuen uns sehr aber gleichzeitig habe ich Angst, dass es dich traurig macht und unsere Beziehung kaputt macht. Sag mir bitte wie es dir damit geht und wie du dir wünscht wie wir miteinander umgehen sollen, …“ Im Zweiten Fall, tat es zwar weh, aber ich konnte meist besser mit den Schwangeren weiter eine gute Beziehung haben, als im ersten Fall.

 

Noch ein paar Tipps, die mir geholfen haben. Bestehe nicht auf Treffen. Jemand Schwangeres zu sehen, war für mich nochmal schwerer als nur mit jemandem zu schreiben der schwanger war. Gerade bei denen die recht zeitgleich mit mir schwanger geworden waren und nachdem ich meine Kinder verloren habe immer noch schwanger waren. Es tat gut, wenn daher die schwangere Freundin, das im Blick hatte und sowas sagte wie: „Wir würden uns freuen euch nochmal zu sehen, aber schaut wie es euch geht und auch wenn wir einen Termin machen, darfst du ihn gerne kurzfristig absagen, wenn es dir den Tag doch nicht recht ist“. Genauso die Frage ob es für mich okay ist, ob die schwangere Person mir von ihrer Schwangerschaft erzählt und wir darüber sprechen oder ob wir das Thema lieber ausklammern sollten, war hilfreich, denn komischer Weise war es für mich meist okay wenn mich jemand gefragt hat, ob es für mich okay ist und Rücksicht auf meine Gefühle genommen hat, ohne es persönlich zu nehmen, denn das ist es nicht. Daher: Frage ob es okay ist über die Schwangerschaft zu sprechen, oder warte bis du danach gefragt wirst. Genauso bei Fotos, schicke sie nicht einfach, sondern frag vorher ob es okay wäre ein Bild zu schicken. Es ist echt auch tagesformabhängig gewesen, wie gut ich das aushalten und annehmen konnte. Daher ist es so wertvoll viele Fragen zu stellen, statt einfach drauf los zu reden. Bei den Freunden, die das beherzigt haben, konnte ich viel besser damit umgehen und einige Beziehungen wurden dadurch tiefer und enger.

 

Das gleiche gilt bei Babypartys, Geburtstagsfeiern, etc. Gerade am Anfang der Trauerphase sind das so herausfordernde Tage, manche Frauen sind vielleicht dankbar für Abwechslung, für andere ist es eher eine Qual. Daher lade sie ein, grenze sie nicht aus, aber beende die Einladung mit dem Nachsatz, dass du dich freuen würdest wenn sie kommen würden, aber das du verstehen würdest wenn ihnen danach noch nicht ist. Und dann nimm es nicht persönlich wenn jemand ein Event absagt, denn es geht nicht gegen dich, sondern es geht um den Schmerz, den Verlust, das Vermissen und die Trauer, die manche dieser Termine, gerade zu Beginn sehr schwer machen.

 

Eine Woche nach Johannas Geburt war der Junggesellenabschied meiner Schwägerin. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen dorthin zu gehen, Spaß zu haben, zu lachen und mitzumachen. Ich habe meine Schwägerin sehr gern, aber ich war geschockt, traurig und vollkommen erschöpft von dem Erlebten. Ich bin froh, dass sie und alle anderen Verständnis dafür hatten, das ist sehr wertvoll.

 

Du hast kleine Kinder und bist unsicher wie das für deine Bekannten ist? Dann frag einfach nach ob es okay für sie ist wenn die Kinder da sind und wie es ihnen damit geht. Ob es okay ist wenn du von ihnen erzählst oder ob du das lieber eine Zeit lang lassen sollst. Das hat mir oft geholfen und das sogar einfacher gemacht. Manchmal war es dann auch völlig okay den Kindern zu begegnen und über sie zu sprechen, klar haben Jonas und ich dabei viel an unsere Kleinen gedacht aber es hat es trotzdem leichter gemacht. An manchen Abenden verabredeten wir uns aber auch mit Freunden zu einer Uhrzeit zu der die Kleinen schon im Bett waren. Mir hat es immer viel bedeutet, wenn uns Freunde auch nach solchen Treffen gefragt haben, wie das für uns war und wie es uns damit ging. Das hat uns einfach so viel Wertschätzung gegeben und auch unseren Kindern, so dass der Umgang dann einfacher für uns war.

 

Wenn du unsicher bist, wie du trauernden Eltern begegnen sollst, sprich das ruhig an. Und frag nach was okay ist, wie es ihnen damit geht und was sie sich von dir wünschen. Und manches ist am Anfang vielleicht noch nicht möglich (wie ein Treffen mit einer schwangeren Frau), aber das heißt nicht, dass das für immer so ist und es ist so schade, wenn Freundschaften wegen mangelndem gegenseitigen Verständnis und Einfühlungsvermögen kaputt gehen. Das brauchen sie nicht. Im Gegenteil, sie haben Potenzial tiefer und inniger zu werden. Bleibt einfach im liebevollen, respektvollen Austausch miteinander. In der ersten Zeit der Trauer wird es vielleicht einseitiger sein, da brauchen die trauernden Eltern einfach eine liebevolle Begleitung und können selbst nicht so viel geben, aber es kommen auch wieder andere Zeiten...


Tabea - 16. Februar 2022